Eine Reise nach China zeichnet sich zuallererst dadurch aus, daß die Anfahrt ziemlich lang ist. Manchmal führen die Umstände dazu, daß sie besonders lang wird. In unserem Fall kommt hinzu, daß wir unseren Flug nicht von Deutschland sondern von London aus gebucht haben, weil Martin in Camebridge lebt und die Flüge von London aus günstiger waren. Also fliege ich erst einmal von Berlin nach London und fahre dann weiter mit dem Bus nach Camebridge, um Martin dort noch mit seinem besonders günstig gelegtem Umzug zu helfen. Nachdem wir am Abend noch Lizzy, eine Freundin von Martin treffen und mit Ihr einen schönen Abend verbringen, beenden wir die restlichen Reisevorbereitungen, die uns die gesamte Nacht kosten.
Im Bus nach London werden wir auch weniger in den Schlaf gewiegt als als ständig aus ihm herausgestoßen. Mittags kommen wir in London Gatwick an, checken ein und beginnen auf unseren Flug zu warten. Der geplante Abflug verspätet sich, aber niemand weiß, wie lange. Am Ende werden daraus ganze sechs Stunden, weil ein Teil unseres Flugzeuges (wie beruhigend) defekt ist und ein Ersatzteil aus Heathrouw herbeigeschafft werden muß. Als wir dann endlich im Flugzeug sitzen, sind wir doch ziemlich von Emirates begeistert. Wirklich luxeriös, auch in der Economie-class. Selbst das Essen ist ausgesprochen gut, weit besser als genießbar. Und in Anbetracht meiner Größe hat uns die nette Dame vom Checkin die Plätze hinter dem Notausgang mit jeder Menge Beinfreiheit gegeben. Mittlerweile bin zumindest ich hellwach, obwohl ich seit vierzig Stunden nicht wirklich geschlafen habe und erst gegen frühen Morgen, als wir schon bald in Dubai sind, schlummere ich ein.
In Dubai ist der Anschlußflug natürlich weg und wir bekommen nach langem Anstehen einen Ersatzflug über Bangkok für den Abend und für die Zeit bis dahin ein Zimmer und Essensgutscheine fürs Flughafenhotel. Dort verschlafen wir den ersten Teil des Tages. Nach der Einlösung unseres Lunch-Gutscheins versuchen wir uns in einem kleinen Spaziergang, doch wir sind immmer noch im Flughafeneinzugsgebiet - scheußlich - und die Außentemperatur entspricht der Innentemperatur einer finnischen Sauna - buchstäblich. Also kehren wir zurück und verschlafen auch den Rest des Tages im klimatisierten Hotelzimmer. Am Abend geht es dann weiter und wir werden von Thai-Airlines überrascht, die zwar keine "personal Screens" wie bei Emirates aber dafür noch besseres Essen und die hübscheren Stuardessen haben. Und auch, als wir gegen morgen in Bangkok ankommen, sind wir putzmunter. Der Flughafen hier ist niegelnagelneu, gigantisch und doch sehr leicht, hell und freundlich... wie der Ruf der Thai selbst.
Als wir dann gegen Abend in Beijing ankommen, sind wir noch ganz und gar nicht müde. Wir kommen mit dem Gefühl an eine der Entfernung angemessene Anreise hinter uns gebracht zu haben - eigentlich gar nicht so schlecht. Nur daß wir nun nur noch einen Tag Zeit haben, unser Permit für Tibet zu bekommen. Aber darüber zerbrechen wir uns erst einmal nicht den Kopf. Es gibt da erst mal noch ein par andere Details zu klären. Checkout, Gepäckabholung und Passkontrolle haben immerhin reibungslos funktioniert.
Dann fällt Martin allerdings ein, daß er seine geliebte Lederjacke im Flugzeug vergessen hat. Ich überzeuge Ihn, daß es mehr Sinn macht zum Thai-Airline-Büro zu gehen als zur Gepäckstelle und nach einigem Suchen finden wir die Tür in einem unscheinbaren Seitengang des obersten Stockwerkes im Terminal. Was sich dahinter verbirgt ist nicht weniger unscheinbar und zwei von Zetteln überquellende Schreibtische muten etwas seltsam für das offizielle Büro eines Flugunternehmens an. Die einzig anwesende Dame im Büro gehört auch eigentlich gar nicht dazu und bestätigt uns dreimal im Abstand von zehn Minuten, daß in fünf Minuten jemand kommt. Nach demnach langem Warten kommt tatsächlich eine junge Frau die mit einiger Mühe auch zu verstehen scheint, was wir wollen. Ihr Telefonat hört sich allerdings nicht sehr vielversprechend an. Nach nochmals zahn Minuten kommt dann tatsächlich ein Mann in Thai-Airline-Uniform mit vier Streifen auf den Schultern und Martins Jacke unter dem Arm. Unsere nächste Station führt uns zum Schalter für Air-China denn die Bestätigung der Agentur, die für uns den Flug nach Lhasa gebucht hat, ist im Grunde keine verbindliche Bestätigung. Am Hauptschalter der größten chinesischen Fluglinie in der Hauptstadt Chinas kommt Englisch kaum besser als Suaheli an. Wir werden eine Tür weiter geschickt, dort ist aber der Schalter für First und Buissnes-Class und wir werden höflichst rausgeschmissen. Also wieder zum Hauptschalter, wo wir weiter zum Checkin-schalter 18H geschickt werden, von dort zu 18E und von dort zurück zum Hauptschalter. Im Grunde liegt das wohl einfach nur daran, daß uns einfach niemand versteht. (Ich schreibe dies gerade nach zwei weiteren Monaten in China und bin mir dessen jetzt nicht mehr so sicher.) Nach einem weiteren verzweifelten Versuch am Schalter 18H fragen wir einen jungen Mann in Uniform, der dort mehr oder weniger in nicht wirklich nachvollziehbarer Funktion herumsteht und der endlich zu verstehen scheint, was wir wollen. Er checkt unsere Frage am Computer und kommt mit der Nachricht zurück, daß unsere Plätze gelöscht sind, da wir den Flug mehr als vierzehn Tage im voraus gebucht haben, was nicht geht. Wie bitte!? Das hat man also davon, wenn man einer Agentur vertraut. Als Reaktion auf unsere empörten Einwände machen sie sich schließlich zu dritt am Computer zu schaffen, und irgendwie haben wir plötzlich so etwas wie eine Betätigung in Händen. Was Besseres ist offensichtlich nicht zu bekommen. Na, wenn das mal klappt! Noch eine Runde Suchen nach dem Schalter der "Bank of China", der wie uns versichert wurde einzig vertrauenswürdigen Bank in China (später erfahren wir, daß die "ndustrial and Commercial Bank of China" auch geht und sogar geringere Gebühren verlangt) und umständlichstes Einlösen der ersten Traveller-checks und unsere "Kleinigkeiten" am Flughafen sind erledigt. Gut daß wir nach dem Flug nicht völlig fertig waren.
Also raus aus dem Flughafen und... nein, nicht ins Taxi sondern in die Schlange zu den Taxis. Auch diese Schlange ist irgendwann zu Ende. Doch die Adresse des Hostels, die ich in unserem Führer gewählt habe, steht dort nur in westlichen Zeichen und die Taxifahrerin muß erst einige Leute fragen, bis sie jemanden findet, er sie Ihr übersetzten kann, denn unsere Versuche die Adresse vorzulesen scheitern offensichtlich kläglich. Wir hoffen sehr daß wir am richtigen Ort ankommen, und nach einer fast ganzstündigen Fahrt durchs nächtliche Beijing stehen wir tatsächlich vor einem Gebäude mit dem richtigen Namen über dem Eingang: "Red Lantern House". Dort hängen auch wirklich rote Laternen, was aber am Rande bemerkt kein gutes Erkennungszeichen ist, denn die hängen wirklich überall. Passend am Namen ist, daß es sich bei dem Hostel um zwei Häuser im traditionellen Stil handelt. Und es befindet sich in einer wunderschönen engen heruntergekommenen Altstadtgasse, Hutong genannt. Ich fühle mich auf der Stelle wohl. Auf dem Tresen der Rezeption liegt eine faule rote Katze und schnurrt vor sich hin. Hier bin ich definitiv richtig. Martin lacht sich über meine Geschmack kaputt und meint, er schenkt mir irgendwann mal eine Reise in ein Slum in Afrika. Da, so meint er, würde ich mich erst so richtig wohl fühlen. Nun ja, zugegeben, wenn ich eine schicke Hochhaussiedlung sehe, denke ich an weglaufen. Wenn ich in einer schmutzigen Gasse wohne, in der ein Kind zwischen den Häusern in eine Ecke scheißt, alte Männer chinesisches Schach spielend am Straßenrand sitzen, an der nächsten Ecke die Straßengarküchen Ihre derben Gerüche verströmen, irgendwo zwischen Passanten, Fahrrädern und dem ein oder anderen Auto auch noch ein par Hühner rumlaufen und kleine Kinder statt einer Windel einfach einen Schlitz in der Hose haben, beginne ich mich irgendwie wohl zu fühlen. Nicht daß ich ein Teil dieser Welt wäre, doch sie fühlt sich vertraut an und ich wirke dort auch nicht fehl am Platz.
Im Hauptgebäude des Hostels ist kein Bett mehr frei und der "Onkel" fährt unser Gepäck in seinem Fahrradanhänger zum Nebengebäude. Auf dem Weg dorthin müssen wir eine Hauptstraße überqueren, was der Onkel mit stoischer Langsamkeit mit seinem Fahrrad meistert. Autos müssen stehenbleiben, hupen aber davon scheint man sich hier nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Das Nebengebäude ist sehr nett eingerichtet und hat einen schönen Hof, der bei den lauen Temperaturen hier Nachts zum draußen sitzen einläd. Nachdem wir uns in unserem Zimmer, daß zwar spartanisch eingerichtet aber sauber ist, eingerichtet haben, gehen wir noch raus in die Hutong und kehren in das bestbesuchte Straßenrestaurant ein, daß wir im Umkreis finden. Es gibt kein englisches Menü aber dafür Bilder zu den Gerichten und der Kellner erläutert sie kreativ mit muuuh, quaak quaak und boock bock bock-Lauten. Das Essen ist einfach, scharf und sehr gut. Das dazu bestellte Bier kommt in Null-komma-sechs-Liter-Flaschen. Der Junge, der die Rechnung bringt, malt die Summe mit dem Finger auf den Tisch und freut sich riesig, als er von uns umgerechnet vierzig Cent Trinkgeld bekommt. Später bemerken wir, daß das hier überhaupt nicht üblich ist. Wir kehren zurück in unser Hostal und nachdem wir uns mit Lulu für den nächsten Morgen verabredet haben um die Permit für Tibet zu bekommen, fallen wir erschöpft in unsere Betten und schlafen wie die Steine. Irgendwie haben wir es mit all dem Durcheinander wohl geschafft, den Jetlag zu überlisten.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
2 Kommentare:
Wunderschön gechrieben, lieber Hagen. Ich bin gespannt wie es weitergeht..! Wirst Du auch Bilder auf die Seite stellen?
Besos, Mona
es ist schön nachzulesen, was ich ähnlich oder ganz anders erlebt habe
Kommentar veröffentlichen