Sonntag, 25. November 2007

Erste Tage in Lhasa

Ich bin früh wach und, da Martin die halbe Nacht nicht schlafen konnte, gehe ich allein auf den Barkor, die breite Marktstraße um den Jokhang-Tempel herum. Nach dem, was ich darüber gelesen habe, war das schon immer so etwas wie ein Marktplatz, aber jetzt ist es eher ein einziger Touristenladen, und das erste Mal erfahre ich was ein "Hallo-Markt" ist: ein Markt, auf dem man keinen Meter gehen oder sich etwas anschauen kann, ohne von "Hallo , lucky luckie... you like a ..." belagert zu werden. Interessant sind dazwischen die vielen Pilger mit Ihren sich endlos drehenden Gebetsmühlen, denn der Jokhangtempel ist wie alle heiligen Orte Tibets ein Umrundungszentrum. Etwas abseits lande ich plötzlich in einer riesigen Markthalle, mit Bergen von Fleisch und Gemüse, riesigen Brocken Butter, Säcken voller Gewürze und Vielem Vielem mehr. Ich gehe ziemlich weit durch die Stadt, doch langsam wird mir von der Mischung aus Weihrauch und Abgasen, die hier überall in der auf dreittausendsechshundert Metern ohnehin ziemlich dünnen Luft liegt etwas schwindelig und ich muß mich zwingen, tief durchzuatmen.






Schließlich sammle ich Martin im Hotel auf und wir gehen gemeinsam den Jokhang-Tempel ansehen. Auch innerhalb der Mauern Ströme von Touristen, übrigens vor allem Chinesischen Touristen. Ich habe mir sagen lassen, daß das 2004 noch nicht so war und kann mir gut vorstellen, daß das auch an der seit letztem Jahr bis Beijing durchgängigen Eisenbahstrecke liegt. Die Gruppen mit Ihren laut schreienden Führern sind entwürdigend an diesem Ort, von dessen Heiligkeit nicht mehr viel übrig ist. Trotzdem sind die in Zwielicht und Kerzenschein getauchten Räume beeindruckend. Schließlich finden wir eine Lücke in der Absperrung und gelangen in eine Art Hofgang, in dem bestimmt zweihundert Gebetsmühlen aufgestellt sind. Ich gehe langsam an Ihnen vorbei und setze eine nach der anderen in Bewegung. Das Drehen dieser Mühlen hat eine eigenartig beruhigende Wirkung. So finden wir in diesem eigentlich wundervollen Tempel doch noch etwas Ruhe und Frieden. Wieder im Hauptteil des Tempels wird uns der Rummel bald zu dick und wir suchen uns ein Restaurant, in dem nur Einheimische sitzen, oder zumindest keine westlichen Touristen. Die Dumplings sind großartig. Mit Hilfe einer zweisprachigen Karte stellt uns Martin ein kleines Gerichte-Wörterbuch zusammen. Seine Versuche, die Schriftzeichen abzumalen zieht eine ganze Traube von Leuten um uns an und sorgt für große Belustigung. Wir bekommen immer mehr Essen angedreht, aber es ist gut und billig und so lassen wir uns das gefallen, bis wir einfach nicht mehr können. Zur Verdauung machen wir noch einen weiten Spaziergang bis uns klassische westliche Musik auf den Platz vor dem Pottalapalast lockt. Als wir ankommen setzt gerade der "Radezkimarsch" ein, während vor dem Denkmal zur "friedlichen Befreiung Tibets" ein pompöses Wasserspiel abläuft und gegenüber zwischen dem Platz und dem Pottala die Chinesische Flagge im Wind weht. Welch Inszenierung, doch sie stößt auf rege Anteilnahme unter den Anwesenden, unter anderem auch bei zwei Mönchen, die das Schauspiel mit einer zu Ihrer Tracht wunderbar kontrastierenden Digitalkamera aufnehmen.



Am nächsten Morgen hängen wir beide etwas durch, weil wir kaum schlafen konnten. Ich habe das Gefühl, daß sich mein Körper nicht so recht mit der dünnen Luft anfreunden will und tatsächlich soll ich erst wieder im Zug nach Xian so richtig gut schlafen, in den extra Sauerstoff geleitet wird. Langsam angepasst genießen wir zum Frühstück eine Nudelsuppe und machen uns auf dem Weg zu Potala, den wir uns heute vorgenommen haben. Dort steht ein Schild mit dem Text: "Today ration tickets sold out". Somit beschließen wir, uneren Aufenthalt in Lhasa um einen weiteren Tag zu verlängern, denn dort den Potala nicht besichtigt zu haben wäre schon ein wenig dumm. Wir gehen noch weiter zu Bank of China, nur um zu sehen, daß auch diese geschlossen hat. Ein Stückchen weiter stoßen wir auf eine Treppe, die offensichtlich zu einem etwas weniger besuchten Kloster hinaufführt. Es geht vielleicht ganze hundert Meter hoch und wir erschrecken wie wir selbst ohne Gepäck oben keuchend ankommen. Wie soll das nur auf unserer geplanten Wanderung werden? Am Kloster haben wir beide das Gefühl, eher zu stören als willkommen zu sein und ziehen uns schnell wieder zurück. Etwas müde leisten wir uns das erste und einzige mal eine Rigschafahrt und verstehen nun, warum wir hier andauern aufpassen müssen, nicht von einer solchen überfahren zu werden. Einerseits brauchen die Bremsen recht lang um so etwas wie Wirkung zu zeigen und zweitens bedeutet anhalten viel Mühe für den Fahrer.

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